Destination Branding
Viel Bedeutung?
Was kommt einem in den Kopf, wenn man Provence hört? Oder St. Moritz? Oder Amsterdam? Egal, woran man auch denken mag, klar ist, dass einem sofort ein Bild in den Sinn kommt. Oder vielleicht sogar ein Gefühl, ein Geruch oder eine Stimmung. Aber wie ist es überhaupt möglich, dass man mit einer Stadt oder einem Ort gleich so viel verbindet? Und wie können sich Destinationen solch intuitive Verbindungen zunutze machen? Und wieso sollte man sich überhaupt damit auseinandersetzen?
Heutzutage stehen Regionen, Länder, Städte und Orte in einem globalen Wettkampf miteinander. Alle wollen mehr Fachkräfte, attraktivere Unternehmen, eine stärkere Wirtschaft oder mehr Touristen anziehen. Alle wollen interessant sein. Und wer das erreichen will, muss aus der Masse hervorstechen. Denn wo sich Menschen, Geld und Einfluss frei über (inter)nationale Grenzen bewegen können, braucht es das gewisse Etwas, das einen Magnetismus erzeugt, um diese Ströme zu sich zu ziehen.
Beim Destination Branding geht es genau darum. Man setzt sich mit einem Ort, einer Region, einer Stadt, einem Land – eben einer Destination – auseinander, um dieses gewisse Etwas zu finden, zu unterstreichen und zu nutzen. Und zwar mit Konsequenz und Konsistenz. Man macht die Destination zur Marke. Aufgeladen mit emotionaler Bedeutung wird sie so zu viel mehr als einem kleinen Punkt auf der Landkarte.
Wie man als Destination einzigartig wird.
Der Prozess, um eine Destination zu einer Destinationsmarke zu machen ist ähnlich wie bei üblichen Branding Projekten. Auch eine Destination Brand braucht eine konkrete und vor allem pointierte Geschichte, die konsequent kultiviert und kommuniziert wird. Sie braucht Charakter, Werte und Orientierung. Eine besondere Rolle spielen dabei auch die Geografie oder Geschichte der Destination. Sie sind Quellen der Einzigartigkeit, geben Auskunft über die Essenz der Destination und funktionieren auch oft als Fundament für die Story der Marke. Aber wie bei allen Marken ist es wichtig, aktuelle gesellschaftliche Trends und das Verhalten der Zielgruppe zu berücksichtigen, damit die Destinationsmarke auch zukunftsfähig ist.
Destination Branding kann jeder. Oder?!
Eine Destination zur Marke zu machen, klingt einfacher, als es in der Realität ist. Denn den metaphorischen Deckel für einen Topf zu finden, der nicht komplexer, vielschichtiger und facettenreicher sein könnte als eine Destination ist gar nicht so einfach. Der Deckel muss schließlich alle einzigartigen Aspekte abdecken und dennoch einen gewissen Spielraum für Individualität und zukünftige Entwicklungen lassen. Ganz besonders wichtig dabei ist die Überlegung, was man mit der Destinationsmarke überhaupt erreichen möchte. Welches Gesicht möchte man der Welt zeigen? Denn das Ziel hat einen maßgeblichen Einfluss darauf, was und wie man kommuniziert. Wenn das vorrangige Ziel beispielsweise darin besteht, mehr Touristen anzuziehen, muss die Destination Brand auf einer ganz anderen Frequenz senden, eine ganz andere Geschichte erzählen und ganz andere Eigenschaften in den Vordergrund stellen, als wenn der Fokus auf der Region als Innovations-Hub liegt.
Viele Menschen. Viel Meinung.
Eine weitere Ebene der Komplexität kommt von der Vielzahl an Menschen, die in einem Destination Branding Prozess miteinbezogen werden müssen. Von Tourismusverbänden, Regierungen und politischen Entscheidungsträger*innen, meinungsstarken Einheimischen und lokalen Einflussträger*innen – alle wollen gehört und verstanden werden, sind emotional mit dem Projekt verbunden. Jede*r hat eine Meinung darüber, was wichtig ist oder was den Ort wirklich ausmacht. Umso wichtiger ist es, sich im Laufe des Projekts um alle Projektbeteiligten zu kümmern. Stakeholder-Management und offene Kommunikation sind im Destination Branding ein absolutes Muss. Nur so schafft man es am Ende, einen tragfähigen Konsens zu finden und Widerstand zu vermeiden.
Von Bergen und Tälern.
Wie das in der Praxis aussieht, zeigen die folgenden zwei Beispiele von großen Destination-Branding-Projekten, die moodley in enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen lokalen Verbänden umgesetzt hat: das Gasteinertal und die Region Baden in Deutschland.
Gastein
Einladung zum Aufladen.
Das Gasteinertal liegt eingebettet inmitten der Alpen, am Rande des Nationalparks Hohe Tauern. Umgeben von Natur war das Tal lange einfach die „attraktivste alpine Gesundheitsregion“ – eine Positionierung mit klarer Value-Proposition, aber wenig Charakter. Für die Gasteinertal Tourismus GmbH war es schließlich Zeit, der Region neues Leben zu geben. Mit einer emotionalen Markengeschichte und Brand Identity, die dem Zeitgeist entspricht und Magnetismus erzeugt, sollte das Gasteinertal neue Bekanntheit erlangen und neue wie bestehende Fans begeistern.
Das Gasteinertal setzt sich aus drei Orten mit einzigartigem Charakter zusammen: Dorfgastein, Bad Hofgastein und Bad Gastein. Bisher wurden alle drei mit einer monolithischen Markenarchitektur unter einer Dachmarke geführt, die die einzigartigen Facetten des Tals ausblendete. Statt dieser einheitlichen Mono-Brand wurde eine Dachmarke für das gesamte Tal geschaffen, die jedoch genug Raum für die Submarken der drei Orte bot, um ihren individuellen Charakter und Charme kommunizieren und entfalten zu können. Um das zu erreichen, wurde mit Vorsicht an der Brand Identity gearbeitet, um die starke Historie des Tals nicht zu verlieren und dennoch zeitgeistig zu sein.
Die Markenstory des Gasteinertals zelebriert die Unterschiede, die vielen Facetten der Orte. Statt als Bauchladen wurden sie als Pole betrachtet, die einander gegenüberstehen und Spannung für die Besucher*innen des Tals erzeugen. Das Tal steht für heiße Quellen und kaltes Wasser. Schroffe Steilheit und sanfte Hügel. Ländlichen Charme und urbanes Flair. Gastein belebt und lässt zugleich zur Ruhe kommen.
Die emotionale Übersetzung der „attraktivsten alpinen Gesundheitsregion“ wurde durch den internen Anspruch gelöst, das Spannungsfeld des Tals zu nutzen und die Besucher*innen auf unterschiedlichste Art und Weise mit neuer Lebenskraft aufzuladen. In der Kommunikation nach außen wurde dieser Anspruch mit dem Dreiklang „Aufladen, Aufleben und Abheben“ übersetzt.
Das ist, wofür Gastein steht. Ein Tal, das Gegensätze vereint und mit seinen vielfältigen Facetten die Menschen auf unterschiedliche Art und Weise mit neuer Lebenskraft versorgt.
Baden
Der Garten Deutschlands.
Vom Badischen Weinbauverband und der badischen Weinwerbung beauftragt, ging es in diesem Destination-Branding-Projekt darum, die Vermarktung des badischen Weins gemeinsam mit der Destination Baden in Deutschland mehr Lebendigkeit zu geben. Denn über die Jahre wurde die Marke träge und verstaubt. Man kannte die Region zwar – unter anderem durch die uralte Werbelinie „von der Sonne verwöhnt“–, doch potenzieller Raum zur weiteren Entwicklung der Marke war schon längst ausgeschöpft. Darüber hinaus ist Baden von einer unvergleichlichen Vielfalt geprägt: neun verschiedene Bereiche, mit Eigenheiten in Wein, Landschaft und Zugang, die scheinbar unvereinbar sind. Während sich Baden dadurch lange im Stillstand wiederfand, hat die Konkurrenz keineswegs geschlafen. Andere Weinregionen in Deutschland haben es geschafft, ein frischeres Image zu erschaffen und neue, jüngere Zielgruppen für sich zu gewinnen. Für Baden ging es nun darum, ebenfalls das volle Potenzial auszuschöpfen, eine Story zu finden, die Orientierung nach innen und außen stiftet und einen Entwicklungsweg in die Zukunft weist.
Geografisch gesehen liegt Baden etwas abgeschieden vom Rest Deutschlands, in der südwestlichen Ecke des Landes. Dadurch hat die Region aber auch einige Vorteile – unter anderem für den Weinbau. In Baden ist es warm und geschützt. Die Menschen sind gelassen und freundlich. Die Städte sind überschaubar und gemütlich. Insgesamt ist Baden ein kultivierter Naturraum, abgerundet durch Naturhighlights wie den Rhein, Bodensee oder Schwarzwald.
Durch diese Einzigartigkeit in Lage, Geografie und Haltung dreht sich die neu entwickelte Brandstory von Baden um „den Garten Deutschlands“. Das Wort Garten ist positiv besetzt, weckt in jedem Kopf viele schöne Bilder, ist weltweit verständlich und gleichzeitig als Metapher breit genug, um die Vielfalt der neun Bereiche in Baden zu integrieren und sichtbar zu machen. Implizit schafft die Positionierung auch neue Impulse in Sachen Naturschutz und nachhaltigem Anbau. Denn mit einem Garten geht man sorgsam und liebevoll um.
Ein Maßstab, ein Versprechen für Nachhaltigkeit und Qualität.
Die Eingliederung Deutschlands in den Claim ist darüber hinaus von zentraler Bedeutung. Einerseits hilft der Zusatz, Baden geografisch zu orten und andererseits auch den Innovations- und Qualitätsanspruch zu verankern. Schließlich gilt Deutschland international als innovatives Land. Das Wort gibt den Maßstab vor. Auch regional funktioniert „Der Garten Deutschlands“ im Sinne von sanftem Tourismus und Regionalität.